Junge Tat: Verbindungen in die SVP und zu Terrorismus

Das militante Neonazi-Netzwerk Blood & Honour prägt die Junge Tat. Und für manche, die den rechtsextremen Umsturz wollen, ist sie eine Vorzeigeorganisation.

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So inszenierte sich die Junge Tat in ihren Anfangszeiten. Screenshot: Tamedia

Die Junge Tat ist die derzeit öffentlichkeitswirksamste Neonazi-Gruppierung der Schweiz. Sie sieht sich als Vorfeldorganisation der Schweizerischen Volkspartei (SVP), der sie durch Normalisierung von rechtsextremen Positionen den Weg für noch rechtere Positionen ebnen will. Die SVP umgekehrt distanziert sich von der Jungen Tat mal mehr, mal weniger. Die Führungsriege der Jungen SVP überhaupt nicht.

Doch neben Verbindungen in die parlamentarische Politik der Schweiz hat die Junge Tat auch Kontakte und Verbindungen zu militanten Neonazi-Strukturen und Terrorgruppen. Einige Beispiele.

✖️Blood & Honour

Im Sommer 2022 fand in Rüti ZH ein geheimes Neonazi-Konzert im kleinen Kreis statt, zwei deutsche Blood & Honour-Bands traten auf: Oidoxie und F.I.E.L. Die Polizei kontrollierte 53 Personen, der Grossteil stammte aus Deutschland, wo Blood & Honour (B&H) seit dem Jahr 2000 verboten ist, aber entsprechende Nachfolgestrukturen bestehen.

Tonaufnahmen dokumentierten, was aus der angemieteten Pfadihütte drang. Grölende Männer, die «Sieg Heil» schrien, antisemitische Gesänge, «Juden raus»-Rufe. Und, wie Recherchen von FLIMMER.MEDIA zeigen, mittendrin: mehrere Mitglieder der Jungen Tat. Deren Anwesenheit wurde von deutschen Ermittlungsbehörden protokolliert.

Die Teilnahme der jungen Neonazis an diesem Anlass unterstreicht die Vernetzung der Gruppierung mit Blood & Honour. Einerseits durch die geringe Anzahl der Teilnehmenden in einer kleinen Lokalität. Andererseits durch das konspirative Vorgehen der Szene rund um solche Anlässe. Beispielsweise wird unter der Verwendung von internen Codewörtern über solche Szene-Zusammenkünfte kommuniziert. Man läuft nicht zufällig an ein solches Konzert ran oder wird spontan mitgenommen. Rein kommt, wer sich bei B&H genügend Ansehen und Vertrauen erarbeitet hat, um eingeladen zu werden.

Blood & Honour ist eines der ältesten und einflussreichsten internationalen militanten Neonazi-Netzwerke. Laut dem Landesamt für Verfassungsschutz Thüringen wurde das spätere Kerntrio des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos 1998 als Teil des «harten Kerns» der B&H-Bewegung in Jena DE eingestuft. Die rechtsextremistische Terrorzelle ermordete mindestens zehn Menschen. Auch der einschlägig vorbestrafte Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübke soll mit B&H vernetzt gewesen sein.

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Die B&H-Bezüge begleiten die Junge Tat von Anfang an. Sie gilt als eine Jugendorganisation der Nationalen Aktionsfront, einem Schweizer Sammelbecken der rechtsextremen Szene, in dem auch Exponent:innen von B&H führend sind. B&H-Mitglieder begleiteten die Junge Tat als Mentoren, etwa Marco S. und Manuel B. (Namen der Redaktion bekannt).

Die Junge Tat wurde von ehemaligen Mitgliedern der Neonazigruppe Eisenjugend gegründet. Die Eisenjugend fiel durch Rassenkriegsfantasien, Nazi-Ideologie, Gewaltverherrlichung und illegalen Waffenbesitz auf. Bei Hausdurchsuchungen fand die Polizei etwa Kalaschnikows, Pistolen und Schrotgewehre. In einem Propaganda-Video verbrannten die jungen Neonazis eine Israel- und eine EU-Flagge. Die Gründung der Jungen Tat 2020 ist als Rebranding zu verstehen. In Optik und Sprache dominieren nun Elemente der Identitären Bewegung. Die einschlägigen strafrechtlichen Verurteilungen und Äusserungen seien Jugendsünden, betont die Gruppe, die nichtsdestotrotz weiterhin Strafanzeigen sammelt.

Heute spricht die Junge Tat von Remigration statt Rassenkrieg, bemüht sich darum, anschlussfähig zu sein. Nicht nur, aber auch für die Wähler:innenstärkste Partei der Schweiz, die SVP. Vermeintlich harmloser Patriotismus, gemeinsames Boxtraining, Wanderausflüge, ein eigener Podcast. Und eine Verinnerlichung neurechter Strategien, die in einem verharmlosenden SRF-Beitrag vom April 2025 (FLIMMER.MEDIA berichtete hier: Trans-Hass, Antisemitismus, Fake News und Neonazi-Verharmlosung) einen vorläufigen Höhepunkt finden.

Doch das Rebranding bedeutet keineswegs die Lossagung von militanten Neonazistrukturen oder deren Weltsicht. Und der exklusive Neonazi-Liederabend im Sommer 2022 mit Hitlerliebe und Hass auf jüdische Menschen war nur einer von mehreren Markern, der zeigt, wo die Junge Tat innerhalb der Neonaziszene einzuordnen ist.

Im Juli 2021 hielt Manuel Corchia, einer der führenden Exponenten der Jungen Tat, die Hauptrede an der Neonazi-Gedenkfeier zur Schlacht von Sempach. Damit wird unterstrichen, dass die Gruppierung für die Schweizer Neonazi-Szene schon damals eine wichtige Rolle einnimmt. Corchia hörten Rechtsextreme der Neonazi-Netzwerks Blood & Honour und den Hammerskins zu. Vor Ort waren auch deutsche Neonazis von Der III. Weg. Mehr zu diesen Verbindungen der Jungen Tat im Text von FLIMMER.MEDIA: Verbindungen von Neonazis zwischen der Schweiz und Sachsen haben System. 

Die Nähe der Jungen Tat zu Blood & Honour zeigt sich auch im Kampfsport. Im Sommer 2024 fand der «Day of Glory» im Nordosten Frankreichs statt. Der Kampfsportanlass wird durch einen Ableger der Hammerskins organisiert. Solche Events dienen der rechtsextremen Szene als Ort der Vernetzung, Finanzierungsquelle, Propaganda und der Rekrutierung von neuen Mitgliedern. 

Die Begeisterung von Rechtsextremen für das Boxen ist kein neues Phänomen. Schon Adolf Hitler betonte die Bedeutung von körperlicher Fitness und Kampfgeist für die Erziehung der Jugend im nationalsozialistischen Sinne. Den Boxkampf beschrieb er als Mittel, um diese Eigenschaften zu fördern.

Der Kampfsport an sich dient der Szene ausserdem als Training für gewalttätige Auseinandersetzungen. Auch ein Schweizer B&H-Mitglied, Timo G., prügelte sich am Anlass in Frankreich. Ihn begleiteten unter anderem zwei weitere Schweizer B&H-Mitglieder, Simon I., und Oliver R. (Namen der Redaktion bekannt). I. und R. werden der Jungen Tat zugerechnet.

R. war bereits in der Eisenjugend aktiv. Und er war, so wie andere Mitglieder von Blood & Honour, auch im Dezember 2024 bei einem Treffen von AfD-Politiker:innen mit der Jungen Tat in Kloten ZH anwesend.

✖️Avanguardia Rivoluzionaria

Im Sommer 2021 wurden in Mailand vier junge Männer verhaftet. Bei einer Kontrolle der Studenten hatte die Polizei eine Sturmhaube, einen Schlagstock, ein Messer und Abbildungen von Adolf Hitler und Benito Mussolini gefunden. Die Behörden ermittelten schon länger gegen die jungen Männer, die sich Kampfnamen wie «Leiter der Breivik-Einheit» gaben. Sie planten, durch Gewalttaten Chaos zu stiften und dadurch das Ende der Demokratie voranzutreiben. 

Gemäss Medienberichten hatte die Gruppe Avanguardia Rivoluzionaria auch internationale Kontakte, wobei nur eine Gruppierung namentlich genannt wird: die Junge Tat. Diese habe die Avanguardia Rivoluzionaria im Mai 2021 in Bern besucht. Wegen Propaganda und Anstiftung zu diskriminierenden Straftaten sowie der Bildung einer kriminellen Vereinigung wurden die vier Männer schliesslich zu bedingten Freiheitsstrafen verurteilt.

✖️Sächsische Separatisten

Die Junge Tat steht in engem Austausch mit völkischen Kräften innerhalb der Alternative für Deutschland (AfD). Den Kreisen also, aus denen auch Teile der rechtsextremen Terrorgruppierung Sächsische Separatisten rekrutiert worden waren. Im Juni 2024 nahmen Mitglieder der Jungen Tat an einer Feier der Identitären Bewegung in Sachsen teil. Dokumentiert ist, dass mindestens ein Mitglied der Sächsischen Separatisten ebenfalls an diesem Anlass teilnahm. 

Die Sächsischen Separatisten wollten den Nationalsozialismus mit Waffengewalt wieder einführen und bereiteten sich darauf vor. Sie übten den Häuserkampf und den Umgang mit Schusswaffen. Auch Nacht- und Gewaltmärsche führte die Gruppe durch. Die Mitglieder beschafften sich militärische Ausrüstung wie Tarnanzüge, Gefechtshelme und Schutzwesten. Im November 2024 liess die deutsche Bundesanwaltschaft acht mutmassliche Mitglieder der Sächsischen Separatisten im Alter von 21 bis 25 Jahren festnehmen. Drei von ihnen waren zum Zeitpunkt der Festnahme Mitglieder der AfD, darunter der Mann, der wenige Monate zuvor an der Feier der Identitären Bewegung teilnahm.

Auch Erik Ahrens war im Juni 2024 am Anlass in Sachsen dabei. Ahrens ist ein rechtsextremer Influencer und AfD-Berater, von dem sich die Partei aber inzwischen öffentlich distanziert hat. Recherchen machten öffentlich, dass Ahrens 2023 eine rechtsextreme Eliteorganisation nach dem Vorbild der nationalsozialistischen Schutzstaffel skizzierte. Sinnvoll wären etwa Trainingscamps in den Alpen, findet er.

Im Frühjahr 2025 lud die Junge Tat «ersten Schweizer Aktivistenwochenende» im Berner Oberland. Auf dem Plan standen politische Vorträge, Kampfsport vor dem Alpenpanorama, Klettern und ein Workshop zur Durchführung von Demonstrationen. Die Identitäre Bewegung führt seit Jahren Drill- und Schulungslager durch. Doch Ahrens schwärmte schon vor diesem Trainingscamp für die Junge Tat. Sie sei ein Vorbild, weil sie besonders martialisch sowie sportlich aggressiv auftrete und die Mitglieder auch mal ihr Gesicht zeigen. Auch die Box- und Schiesstrainings der Jungen Tat lobte Ahrens bereits 2023.

Apropos Kampftraining: Der Instagram-Account der rechtsterroristischen deutschen Gruppierung Knockout 51 folgte dem Account des Junge-Tat-Exponenten Tobias Lingg und umgekehrt.

Die Junge Tat hat auf eine Anfrage von FLIMMER.MEDIA nicht reagiert.

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Unsere Quellen

Shn.ch: Experte über die Verbindung der Jungen SVP Schaffhausen zur Jungen Tat: «Die Distanzierungen sind nur Lippenbekenntnisse 

Watson.ch: SVP-Ständerat Schwander demonstriert mit rechtsextremer «Junge Tat» 

Tagesanzeiger.ch: Junge SVP und Junge Tat: Die Nähe zu Rechtsextremen sorgt für Streit in der Jungen SVP 

Srgd.ch: Reportage über die «Junge Tat»: gesetzeskonform, aber problematisch

Srf.ch: Die «Junge Tat» – Zwischen Rassismus und Meinungsfreiheit Hlz.hessen.de: Am Anfang war Rassismus: Über den Radikalisierungsweg des neonazistischen Mörders Stephan Ernst 

Bpb.de: Blood&Honour | Rechtsextremismus

Sz.de: Geheimes Nazi-Treffen von "Blood & Honour" in Ungarn

Ndr.de: “Blood & Honour": Bundesweite Razzia gegen Neonazis

Ndr.de: Verbotenes Netzwerk "Blood & Honour": Elf Neonazis angeklagt

Tagesanzeiger.ch: Doku mit verdeckten Aufnahmen – Das geheime rechtsextreme Netzwerk der Schweiz 

Belltower.news: Schweiz: Die Eisenjugend von Winterthur – Rassekrieger allein im Wald

Derbund.ch: Neonazi-Zelle aus Winterthur - «Hass gegen Juden»: Fünf junge Rechtsextreme verurteilt

Blick.ch: Konzert in Rüti ZH: Neonazis reisten aus dem Ausland an

Blick.ch: In Rüti ZH gefeiert: Staatsanwaltschaft leitet Verfahren gegen Neonazis ein

Srf.ch: Junge Tat akzeptiert Strafbefehle nicht - Audio & Podcasts 

Exif-recherche.org: «Day of Glory IV» – internationales, extrem rechtes Kampfsportevent in Frankreich  

Belltower.news: Von MMA bis Dart: Rechtsextremer Einfluss im Sport 

Republik.ch: Am Tisch mit Neonazis, Querdenkern, AfD und der Jungen SVP

Belltower.news: Italien: Neurechte Nachwuchs-Terroristen verhaftet

Milano.Repubblica.it: Neonazisti di Avanguardia Rivoluzionaria: chiesto il processo per "Breivik" e altri tre giovani milanesi 

Ilgiorno.it: Quei neonazisti non giocavano "Erano Avanguardia organizzata" 

tt.com: Mutmaßliche Neonazi-Gruppe in Italien zerschlagen: Vier Festnahmen

Recherche-nord.com: 01.06.2024 

Badische-zeitung.de: Grenzüberschreitender Rechtsextremismus: Die Schweizer Junge Tat und ihr Netzwerk in Baden-Württemberg 

Correktiv.org: AfD und „Junge Tat“: Kein Geheimtreffen gegen Deutschland

Derstandard.at: Hitlers SS als Vorbild: Undercover-Videos enthüllen Pläne von AfD-nahem Influencer

Srf.ch: Rechtsextremes Treffen - Geleakte Videos enthüllen «Führer»-Fantasien von AfD-Influencer

Tagesschau.de: Nach Terrorrazzia in Sachsen: Verstörende Gewaltfantasien

Tagesschau.de: Wie der Anführer die "Sächsischen Separatisten" finanzieren wollte

Tagesschau.de: “Sächsische Separatisten": Razzia gegen mutmaßliche Rechtsterroristen

Mdr.de: Sächsische Separatisten: AfD-Landesverband will drei Mitglieder ausschließen

Bundestag.de: Drucksache 20/9511

Der-rechte-rand.de: Zwischen Seen und Meer

heisst mit bürgerlichem Namen Anna Bursian. Sie ist Gründerin von FLIMMER.MEDIA. Lotta hat sich auch durch jahrelange investigative Recherchen eine umfassende Expertise zu demokratiefeindlichen Bewegungen und Strukturen aufgebaut. Vor FLIMMER.MEDIA publizierte sie in verschiedenen Medien in der Schweiz und Deutschland.

ist Gründerin von FLIMMER.MEDIA. Die diplomierte Journalistin (MAZ – Institut für Journalismus und Kommunikation, Luzern) beschäftigt sich seit Jahren mit extremistischen Tendenzen und Milieus. Sie wurde 2022 als eine der besten 30 Schweizer Journalist:innen unter 30 ausgezeichnet. Im selben Jahr stand sie auf der Shortlist für die Auszeichnung «Newcomerin des Jahres». 2023 erreichte sie die Shortlist-Nomination als «Gesellschaftsjournalistin des Jahres». Vor FLIMMER.MEDIA arbeitete sie bei verschiedenen Publikationen in Basel.

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