Verbindungen von Neonazis zwischen der Schweiz und Sachsen haben System
Im Februar wurde im Kanton Basel-Stadt ein junger Mann festgenommen, der einen Anschlag auf die Synagoge in Halle DE plante. Diese Verbindung ist kein Einzelfall.
Mitte Februar 2025 wurde in der Schweiz ein 19-Jähriger festgenommen. Er wird verdächtigt, aus rechtsextremistischen Motiven einen Anschlag auf die Synagoge im sächsischen Halle geplant zu haben. Jene Synagoge, die Rechtsextremist Stephan B. 2019 angriff und zwei Passant:innen ermordete.
Der 19-Jährige, für den bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt, wurde im Kanton Basel-Stadt festgenommen. Das zeigen Recherchen von FLIMMER.MEDIA. Er wurde am 22. April den deutschen Behörden übergeben, wie die Staatsanwaltschaft Halle Ende April mitteilte.
Der junge Mann hat gemäss Angaben der Staatsanwaltschaft Halle mehrfach in Chats einen Anschlag auf die Synagoge angedroht und sich im Februar 2025 auch illegal eine Schusswaffe organisiert. Er lebte zur Tatzeit, also zwischen Juli 2024 und Februar 2025 in der Schweiz, davor in Halle.
Rechtsterroristische Gruppe mit Schweizer Beteiligung
Dass der Mann in die Schweiz gezogen ist, überrascht nicht. Die Verbindungen zwischen Neonazis aus der Schweiz und Sachsen zeigten sich schon im Zusammenhang mit dem «Nationalsozialistischen Untergrund». Und auch in der Generation der jungen Neonazis sind diese Verbindungen stark.
2020 verbot Deutschland die rechtsterroristische Gruppierung «Nordadler». «Nordadler» war nationalsozialistisch ausgerichtet, sollte insbesondere junge Menschen ansprechen und existierte seit spätestens 2017. Die Gruppe plante Anschläge auf sogenannte «Staatsfeind:innen», jüdische Menschen und politische Gegner:innen. Entsprechend befürwortete der Anführer der Gruppe in einer öffentlichen Telegram-Gruppe den Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019. Die Gruppe trieb ausserdem ein nationalsozialistisches Siedlungsprojekt voran. Auch Personen aus der Schweiz und Österreich waren bei «Nordadler» aktiv.
2024 wurde öffentlich, dass eine Gruppe Neonazis in der sächsischen Region Zwickau Strukturen aufbauen, die stark an «Nordadler» erinnern. Recherchen des «NDR» zeigten, dass die jungen Neonazis einerseits Gesinnungskamerad:innen in der Region ansiedeln wollen und gleichzeitig versuchen, das gesellschaftliche und politische System zu unterwandern. Die «politischen Feind:innen» sollten aus dem Landkreis gejagt werden. Die Rekrutierung neuen Anhänger:innen begann in einer geschlossenen Telegramgruppe, die sich «Teutonischer Kreis» nannte. Zentrale Figuren dabei seien die Neonazis Sanny Kujath und Wladislaw Sirbu gewesen. Sirbu war der Anführer von «Nordadler». Kutjah bestritt auf Anfrage des «NDR», ein neonazistisches Netzwerk aufzubauen. Sirbu, bekennender Nationalsozialist, äusserte sich nicht dazu.
Der «Teutonische Kreis» umfasst im Juli 2023 rund ein Dutzend Mitglieder. Darunter neben Kujath und Sirbu auch Tristan K., der im November 2023 verhaftet wurde, weil der damals 18-Jährige einen rechtsextremistischen gewaltsamen Umsturz der demokratischen Grundordnung Deutschlands geplant haben soll und drohte, Menschen zu töten. Die Gruppe trifft sich damals in Zwickau, es scheint sich um eine Art Gründungstreffen zu handeln. Gemäss Informationen, die FLIMMER.MEDIA vorliegen, nimmt auch ein junger Mann Anfang 20 daran teil, er stellte sich im Chat als Andreas vor und reiste mit einem Auto mit Schweizer Kennzeichen an das Gründungstreffen. Sein Chatname: «Bestrafer».
Sanny Kujath ist aus Sachsens Neonaziszene nicht wegzudenken. Er gründete 2019 die «Junge Revolution», eine Gruppierung von jungen Neonazis, die unter anderem öffentlichkeitswirksame Aktionen durchführte, Kampfsport machte und wanderte.
Die Parallelen zur zeitnah gegründeten Schweizer «Jungen Tat» sind unübersehbar. Und so überrascht es auch nicht, dass die beiden Gruppierungen 2020 in den Schweizer Bergen zusammen wanderten. Bevor die «Junge Tat» dafür eigene Strukturen aufbaute, verkaufte sie ab 2021 ihre «Solidaritäts-Sturmhauben» und weitere Artikel über den «Versand der deutschen Jugend», den Sanny Kujath betrieb.
Doch die dokumentierten Verbindungen der «Jungen Tat» nach Sachsen beginnen früher. Auf Videoaufnahmen des Naziaufmarschs «Heldengedenktag» in Dresden 2020 ist Manuel Corchia, Anführer der «Jungen Tat» zu sehen. Bei ihm: Kujath.
Beim jährlich stattfindenden «Heldengedenktag» am Jahrestags der Bombardierung Dresdens wird von Rechtsextremen das Narrativ eines «Bombenholocausts» im Sinne einer Relativierung des nationalsozialistischen Holocausts zementiert. Auch andere Schweizer Rechtsextreme nahmen in der Vergangenheit am «Heldengedenktag» teil, etwa Tobias Steiger, der zuletzt als Kader der inzwischen aufgelösten «Partei National Orientierter Schweizer»(PNOS) öffentlich auftrat. Die PNOS wurde im Jahr 2000 auch durch Mitglieder des militanten internationalen Neonazinetzwerks «Blood & Honour» gegründet.
Unsere Quellen:
Youtube.com: Jung und radikal: Was planen Neonazis in Zwickau? | STRG_F
Tagesschau.de: Anschlag auf Synagoge: Höchststrafe für Halle-Attentäter | tagesschau.de Belltower.news: Nazis in Deutschland und der Schweiz: Jung, tatkräftig, revolutionär, vereint?
Tagesschau.de: Rechtsextremismus in Sachsen - Neonazis wollen Zwickau unterwandern
Endstation-rechts.de: "Nordadler“: Razzien gegen mutmaßliche rechtsterroristische Vereinigung
Swr.de: Terrorakt geplant: Ex-Schüler aus Westerburg muss ins Gefängnis Report.cemas.io: Nordadler
Stopptdierechten.at: Der „Nordadler“ kreiste auch im Süden
Joyn.de: Rechts, deutsch, radikal
Welt.de: Halle: 19-Jähriger wegen geplanten Anschlags auf Synagoge in Untersuchungshaft
Derspiegel.de: "Nordadler": Horst Seehofer verbietet rechtsextreme Vereinigung
heisst mit bürgerlichem Namen Anna Bursian. Sie ist Gründerin von FLIMMER.MEDIA. Lotta hat sich auch durch jahrelange investigative Recherchen eine umfassende Expertise zu demokratiefeindlichen Bewegungen und Strukturen aufgebaut. Vor FLIMMER.MEDIA publizierte sie in verschiedenen Medien in der Schweiz und Deutschland.
ist Gründerin von FLIMMER.MEDIA. Die diplomierte Journalistin (MAZ – Institut für Journalismus und Kommunikation, Luzern) beschäftigt sich seit Jahren mit extremistischen Tendenzen und Milieus. Sie wurde 2022 als eine der besten 30 Schweizer Journalist:innen unter 30 ausgezeichnet. Im selben Jahr stand sie auf der Shortlist für die Auszeichnung «Newcomerin des Jahres». 2023 erreichte sie die Shortlist-Nomination als «Gesellschaftsjournalistin des Jahres». Vor FLIMMER.MEDIA arbeitete sie bei verschiedenen Publikationen in Basel.