Terror-Tarngruppe Samidoun gründet Ableger in der Deutschschweiz

In Deutschland verboten, in der Schweiz auf Wachstumskurs: Wie «Samidoun» iranische Propaganda gegen Israel verbreitet.

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Eine Demonstration in Zürich mit PFLP-Propaganda und Samidoun-Fahne. Archivbild: Raimond Lüppken

International steht «Samidoun» unter Druck. Verbote, Einreisesperren, Ermittlungen. Der Grund: «Samidoun» gilt als Vorfeld- beziehungsweise Tarnorganisation für eine terroristische Organisation – die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), über die FLIMMER.MEDIA hier ausführlich berichtet hat. Auch der in der Schweiz seit 2024 verbotenen islamistischen Terrororganisation «Hamas» und weiteren islamistischen Gruppierungen steht «Samidoun» nahe.

In der Schweiz sind Fahnen von «Samidoun» an Demonstrationen ebenso zu sehen wie glorifizierende Darstellungen von bewaffneten PFLP-Kämpfer:innen. Und während sich international die Schlinge um «Samidoun» enger zieht, gründet das Netzwerk einen Ableger in der Deutschschweiz, wie Recherchen von FLIMMER.MEDIA zeigen. Bisher gab es erst in Genf eine solche Gruppe.

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Eine Veranstaltung in Genf Ende Oktober 2023 mit Charlotte Kates und Mohammed Khatib. Anonymisierung im Original. Screenshot: Instagram/secoursrougegeneve

Seit Februar 2025 existiert ein Telegramchat unter dem Namen «Samidoun Switzerland». Beiträge im Chat zeugen von der bedingungslosen Unterstützung von Hamas durch «Samidoun». Die Authentizität der Telegramgruppe und deren offiziellen Charakter unterstreicht dabei insbesondere ein Gruppenmitglied: Charlotte Kates.

Charlotte Kates ist internationale Koordinatorin von «Samidoun». Sie gründete «Samidoun» 2011 gemeinsam mit ihrem Ehemann und «PFLP»-Funktionär Khaled Barakat. Kates und Barakat lebten bis 2019 in Deutschland, wurden dann aber mit einem politischen Betätigungsverbot belegt und schliesslich aus Deutschland ausgewiesen. Den Schengenraum durften sie für vier Jahre nicht betreten.

Nachdem «Samidoun»-Mitglieder die Attacke auf Israel vom 7. Oktober 2023 feierten, sprach Deutschland neben dem «Hamas»-Verbot auch ein Verbot von «Samidoun» aus. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte dazu: «Mit der Hamas habe ich heute vollständig die Betätigung einer Terrororganisation verboten, die zum Ziel hat, den Staat Israel zu vernichten. Samidoun verbreitete als internationales Netzwerk unter dem Deckmantel einer ‹Solidaritätsorganisation› für Gefangene in verschiedenen Ländern israel- und judenfeindliche Propaganda. Dabei unterstützte und glorifizierte Samidoun auch verschiedene ausländische Terrororganisationen, unter anderem die Hamas.»

Kanada und die USA stufen «Samidoun» seit 2024 als terroristische Vereinigung ein und verboten die Organisation. «Samidoun» fungiere als Tarnorganisation für die «PFLP» in Ländern, in denen diese als Terrororganisation gilt. Während die Organisation vorgeblich palästinensische Gefangene und deren Familienangehörige unterstütze, leiste «Samidoun» in Wirklichkeit finanzielle Unterstützung für die sanktionierte «PFLP», hiess es in der Verbotsbegründung.

Im Sommer 2024 wurde Kates durch den Iran ein «Menschenrechtspreis» verliehen. Neben ihr wurden unter anderem ein «Hamas»-Vertreter, ein hochrangiges Mitglied des «Palästinensischen Islamischen Jihad» und ein von «Samidoun» gefeierter iranischer Diplomat, der 2018 einen vereitelten Bombenanschlag auf iranische Oppositionelle in Paris plante, geehrt.

Kates freute sich trotzdem oder wohl eher umso mehr, denn bei dieser Preisverleihung  kam zusammen, was zusammen gehört. Der verbindende Faktor: Der Wille zur Vernichtung Israels. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Charlotte Kates im Februar 2025 bei der Beerdigungszeremonie von «Hisbollah»-Chef Hassan Nasrallah dabei war – standesgemäss mit Kufiya und «Samidoun»-Fahne.

Auch «Samidoun Schweiz» schreibt dazu im eigenen Telegramchat: «Die Unterstützung des Widerstands, die Tiefe seiner populären Wiege ist überall spürbar. Aus der ganzen Region und der ganzen Welt strömen die Menschen herbei, um zu trauern, die Märtyrer des Widerstands zu ehren und den Weg nach al-Quds, geebnet durch die arabischen und internationalen antiimperalistischen Führer, fortzusetzen.»

«Samidoun» stellt Nasrallah in die Tradition von «grossen revolutionären Märtyrer:innen» wie Che Guevara, Fidel Castro, Brendan Hughes, Ulrike Meinhoff oder George Jackson. Nasrallah sagte über seine internationalen Unterstützer:innen, dass sie sich dem Kampf gerne anschliessen könnten, solange sie nicht nach Marx behaupten würden, Religion sei Opium. Diese Analyse hielten er und die Hisbollah für falsch.

Als der damalige Präsident des Irans, Ebrahim Raisi, auch bekannt als «Schlächter von Teheran», 2024 ums Leben kam, war «Samidoun» betroffen. Man huldigte dem «Gefährten», einem «grossen Anführer», sprach von einem «enormen Verlust».

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Raisi und sein Regime waren es, gegen die ab dem 16. September 2022 Massenproteste stattfanden. An diesem Tag ermordete die Sittenpolizei die 22-jährige kurdischstämmige Iranerin Jina Mahsa Amini, weil ihr Kopftuch angeblich zu locker sass.  «Jin, Jiyan, Azadî!» – Frau, Leben, Freiheit!

Eine Parole, die auch auf Schweizer Strassen zu hören war. Möglicherweise auch von Kreisen, die beispielsweise im Mai 2023 in Basel oder Zürich eine Veranstaltung mit «Samidoun»-Europachef Mohammed Khatib besuchten. Damals befand sich «Samidoun» noch nicht auf dem Radar einer breiteren Öffentlichkeit. Auch Anfang 2024 in Zürich nahm im Vorfeld kaum jemand Notiz von Khatibs Auftritt in der Zentralwäscherei – trotz zu diesem Zeitpunkt bestehendem «Samidoun»-Verbot in Deutschland.

Gemäss Aussagen von Anwesenden wurde auf der Bühne der «Zentralwäscherei» der 7. Oktober gleichzeitig als Akt des linken Widerstands gefeiert und bedingungslose Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand, auch islamistischen Organisationen, gefordert. Nach dem Auftritt gab es Kritik, die «Zentralwäscherei» verweigerte dem Zürcher Regierungsrat – das Kulturzentrum gehört der Stadt – eine schriftliche Stellungnahme. Auf den Sozialen Medien rechtfertigte die «Zentralwäscherei» die Veranstaltung, die Kritik wolle man aber intern besprechen.

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Fahnen der PFLP (ganz links) und Hamas neben einem «Samidoun»-Transparent. Screenshot: Telegram/Samidoun Network

Die Veranstaltung mit Khatib in Basel kurz darauf wurde nach Medienberichten und Kritik in Räumlichkeiten des «Revolutionären Aufbaus» verlegt. «Samidoun» selbst sieht sich als Opfer einer rassistischen Einschüchterungs- und Kriminalisierungskampagne, die den laufenden Genozid unterstütze. Eine «klare, revolutionäre linke Perspektive auf den palästinensischen Befreiungskampf» solle verhindert werden.

Quellen von FLIMMER.MEDIA berichten, dass sich die Organisator:innen in Basel ausdrücklich von der «Hamas» distanzierten (mehr zu den engen Verbindungen zwischen Hamas und PFLP hier) und dann  «Genosse Khatib» vorstellten. Revolutionsromantik und Heldenepos hätten den überfüllten kleinen Raum durchwabert. Und Gelächter über Erzählungen, gemäss denen weibliche Geiseln nach dem 7. Oktober so gut behandelt worden seien, dass sie sich sogar in die Geiselnehmer verliebt hätten.

Zur Erinnerung: Freigelassene Geiseln berichten von massiver sexualisierter Gewalt, Folter, Aushungerung, Isolation. Und manche berichten gar nicht mehr. Weil sie umgebracht wurden.

Aussagen wie «der 7. Oktober war ein historischer Tag und sollte uns als Vorbild für zukünftige Aktionen dienen» seien beim Referat von «Genosse Khatib» in Basel unwidersprochen geblieben, berichten Anwesende. Genauso die Behauptung, die Opfer des 7. Oktobers in Kibuzzen oder auf dem Supernova-Festival seien keine Zivilist:innen gewesen. Auch darüber hinaus sei Hamaspropaganda wiedergekäut und betreffend dem 7. Oktober lediglich «ein paar Fehler» eingeräumt worden. Im Vorfeld der Veranstaltung habe es nicht nur medial, sondern auch von linken Gruppierungen Kritik gegeben, auf diese sei nicht eingegangen worden.

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Februar 2025: Solidaritätsplakate für Mohammed Khatib von «Samidoun» in Basel. Archivbild: ZVG

Recherchen von FLIMMER.MEDIA zeigen: Basel ist neben Zürich in der Deutschschweiz ein Hotspot von «Samidoun». Hier tauchten im Februar 2025 Plakate von «Samidoun» auf. Mehrfach fanden in Basel Veranstaltungen mit Exponent:innen von «Samidoun» statt. Sie wurden von Strukturen wie «Lotta – organisiert kämpfen», «Basel4Palestine», «Palästina Komitee Basel» oder «Young Struggle» organisiert und beworben.

Etwa im Oktober 2024, als Khaled Barakat bei einer Liveschaltung nach Basel davon sprach, dass die Zuhörenden, wenn sie als antisemitisch bezeichnet würden, Gewalt anwenden sollen. Oder im November 2024, als die spanische Chefin von «Samidoun» und Masar Badil am «Tag gegen Gewalt an Frauen» sprach. Schweizer Gruppierungen stehen mit den spanischen Strukturen im regen Austausch, sind regelmässig dort zu Gast. Einen Tag nach dem Referat war zum ersten Mal eine «Samidoun»-Fahne an einer Demonstration in Basel zu sehen.

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Demonstration Ende November in Basel. Archivbild: ZVG

Am 28. März 2025 fand in Basel eine unangemeldete Demonstration statt. Etwa 60 Personen nahmen daran teil. «Als Samidoun Schweiz rufen wir alle Freunde und Freundinnen des palästinensischen Volkes dazu auf, diesen Freitagabend ihre Trauer in Wut gegen die herrschende imperialistische Realität zu wandeln! [...] Trauern wir um unsere Märtyrer, indem wir kämpfen, uns organisieren und die imperialistische Realität angreifen!», war im Chat der Gruppe dazu zu lesen.

Unter Parolen wie «From Basel to Gaza Intifada» und «from the River to the Sea» zogen die Demonstrierenden durch die Stadt. «Die Märtyrer pflastern den Weg der Befreiung» ist auf einem Transparent mit dem Schriftzug von «Samidoun» zu lesen. Und: «Wir begrüssen den heroischen Widerstand im Kampf für ein freies Palästina», daneben der Schriftzug von «Samidoun» und Bilder von solchen heroischen Kämpfer:innen.

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Leuchtpetarden und Terrorismusverherrlichung in Basel am 28. April 2025. Screenshot: Telegram/Samidoun Switzerland

An dieser Demonstration ist nicht nur die unverhohlene antisemitische Terrorismusverherrlichung bemerkenswert, sondern auch das Datum, an dem sie stattfindet. Auf den 28. März 2025 fällt der «Al-Quds-Tag», der letzte Freitag des islamischen Fastenmonats Ramadan. Der «Al-Quds-Tag» wurde 1979 im Zuge der islamischen Revolution ins Leben gerufen. Dort findet er seither als staatlich organisierter Massenprotest statt. Er steht für das Ziel der Auslöschung Israels und die Unterstützung Palästinas.

Im Sommer 2024 verhängte die Schweiz eine zehnjährige Einreisesperre gegen den Europa-Chef von «Samidoun», Mohammed Khatib. Auf Anfrage von FLIMMER.MEDIA äussert sich das zuständige Staatssekretariat für Migration (SEM) nicht zu möglichen weiteren Einreisesperren im Kontext von «Samidoun».

heisst mit bürgerlichem Namen Anna Bursian. Sie ist Gründerin von FLIMMER.MEDIA. Lotta hat sich auch durch jahrelange investigative Recherchen eine umfassende Expertise zu demokratiefeindlichen Bewegungen und Strukturen aufgebaut. Vor FLIMMER.MEDIA publizierte sie in verschiedenen Medien in der Schweiz und Deutschland.

ist Gründerin von FLIMMER.MEDIA. Die diplomierte Journalistin (MAZ – Institut für Journalismus und Kommunikation, Luzern) beschäftigt sich seit Jahren mit extremistischen Tendenzen und Milieus. Sie wurde 2022 als eine der besten 30 Schweizer Journalist:innen unter 30 ausgezeichnet. Im selben Jahr stand sie auf der Shortlist für die Auszeichnung «Newcomerin des Jahres». 2023 erreichte sie die Shortlist-Nomination als «Gesellschaftsjournalistin des Jahres». Vor FLIMMER.MEDIA arbeitete sie bei verschiedenen Publikationen in Basel.

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