Wie die Schweizer Zivilgesellschaft ein Königreich stoppte und warum Journalismus den Unterschied macht
Das Königreich Deutschland wurde in Deutschland verboten. Auch in der Schweiz durchsuchte die Polizei eine Wohnung. Über die Geschichte der Strukturen in der Schweiz.
Diese Woche verkündete das deutsche Innenministerium das Verbot des Königreichs Deutschland (KRD). «König» Peter Fitzek, sowie weitere KRD-Führungsmitglieder der radikalen Reichsbürger:innenbewegung wurden festgenommen. Fitzek befindet sich seither in Haft – nicht zum ersten Mal.
Auch in der Schweiz wurde im Kanton Solothurn eine Wohnung durchsucht, teilte die Generalbundesanwaltschaft mit. Gemäss Recherchen von FLIMMER.MEDIA steht diese Wohnungsdurchsuchung mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit dem Schweizer Marco G., der als Strohmann mehrere Immobilien für das KRD gekauft habe und auch in der Schweiz für Fitzek unerlaubte Geschäfte abgewickelt haben soll. G. war für FLIMMER.MEDIA für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Im Appenzellerland wollte das KRD 2023 einen Aussenposten gründen. Das ehemalige Gasthaus Krone soll per Handschlag schon einer KRD-nahen Immobilienfirma zugesprochen worden sein.
Doch Peter Fitzek und seine Anhänger:innen hatten die Rechnung ohne die engagierte Trogener Zivilgesellschaft gemacht. Nachdem ich die Vorgänge öffentlich machte, schlossen sich innert kürzester Zeit Menschen zusammen und verhinderten den Verkauf an die Reichsbürger:innen.
Statt zweifelhafter Referate und Investitionsmöglichkeiten durch die Reichsbürger:innensekte füllen bis heute Kultur und Begegnung das historische Haus. Doch so schnell wollte das KRD nicht von seinen Plänen in der Region abrücken. Und weiterhin fanden sich Menschen, die diese Pläne durchkreuzen wollten. Ihre Namen habe ich hier abgeändert.
Klaus, der nach meinen Recherchen lokalen KRD-Strukturen die Grundstücksnutzung kündigte.
Marianne, die mit dem Kinderwagen regelmässig an bekannten KRD-Treffpunkten vorbeispazierte – um ein Auge darauf zu haben, ob sie als Vernetzungsorte genutzt wurden.
Michael, Lehrer in St. Gallen, der nach Feierabend durch die Gegend fuhr und mit Bewohner:innen sprach, beobachtete.
Eine Gruppe junger Antifaschist:innen, die Aufklärung betrieb und Informationsnetzwerke schuf.
Kim, die nach der Veröffentlichung der Recherchen das Ruder übernahm – und den Reichsbürger:innen die Nutzung von Räumen streitig machte.
Lokaljournalist:innen griffen die Recherche auf und arbeiteten eng mit mir zusammen.
Das Magazin Saiten stellte mich temporär an, um problematische Strukturen im Kanton zu dokumentieren.
Auch die Politik reagierte auf die Entwicklungen: Die St. Galler Regierung gab einen Extremismusbericht in Auftrag.
Recherchen machen den Unterschied – und kosten
Die Geschichte zeigt: Menschen wie Klaus, Marianne, Michael oder Kim machen den Unterschied. Doch kein Handeln ohne Wissen – deswegen habe ich FLIMMER.MEDIA mitgegründet.
Investigativer Journalismus kostet, ist in diesen Zeiten aber essentiell.
FLIMMER.MEDIA recherchiert und deckt extremistische und demokratiegefährdende Strukturen auf und macht so die Schweiz zu einem sichereren Ort. Recherchen im Extremismus sind aufwändig und gefährlich, aber notwendig für unsere Demokratie. Und von Medien vernachlässigt.
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Finanzielle Einbahnstrasse ins Königreich
Das KRD bekam wegen der Recherchen keinen Fuss mehr runter in der Region. Und als ein Jahr später ein KRD-Vernetzungstreffen in Basel stattfindet, bin ich vor Ort und berichte erneut, diesmal für die WoZ. Durch die Öffentlichkeit kann das KRD auch hier nicht wachsen.
In Deutschland steigt gleichzeitig der Druck auf das KRD. 2023 greift die Finanzaufsicht gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft durch. Razzien in mehreren Bundesländern, bei denen Goldbarren im Wert von 360’000 Euro, Geld und 60 Schuss Munition sichergestellt wurden. Vorgeworfen wird den Beschuldigten, illegale Bank- und Versicherungsgeschäfte zu betreiben. Durch die Kontensperrungen wurde dem KRD der Finanzfluss abgedreht.
Beim KRD geht es um viel Geld, das die sektenartige Bewegung von seinen Mitgliedern einkassiert. So sind etwa die illegalen Bankgeschäfte eine finanzielle Einbahnstrasse ins Königreich. Denn: «Es besteht kein zivilrechtlicher Anspruch auf Rücküberlassung in Euro» ist beispielsweise im «Kapital-Überlassungs-Vertrag» zum Abschluss eines Kontos bei der KRD-Fantasie-Bank zu lesen.
Ganze Vermögen sollen dem KRD überschrieben worden sein. Auch Unternehmer:innen, die ihre Geschäfte «Unternehmen des Königreiches» wandelten, von denen es auch einige in der Schweiz gab, zahlten Abgaben an den selbsternannten König.
Bereits 2014, zwei Jahre nach der Gründung des KRDs, ging es gemäss der deutschen Finanzaufsicht um 1,9 Millionen Euro, die illegal erwirtschaftet wurden. Ein Bruchteil des Betrags, um den es nun in den Ermittlungen geht.
Sofort wurde ersichtlich, dass der KRD-Finanzmarkt in die Schweiz verlagert wurde, wie ich für die Republik berichtete. Auf einer Onlineplattform im Besitz des KRD konnten neben Platin und Silber auch Goldbarren erworben werden. Bezahlen konnte man auch in der Fantasie-Währung des KRDs, der E-Mark, das E steht hier für Engel. Auf der Schweizer Plattform war zu lesen: «Dieses Angebot richtet sich nicht an Personen, die sich lieber in der Bundesrepublik verwalten lassen möchten. Es ist daher ausschliesslich für aufgeweckte Mitglieder und Staatsbürger des Königreichs Deutschland gedacht.»
Kurz nach der Berichterstattung setzte die Schweizer Finanzaufsicht das KRD auf die Warnliste. Diese umfasst Unternehmen und Personen, die ohne Bewilligung bewilligungspflichtige Tätigkeiten auf dem Finanzmarkt nachgehen.
Auch SRF deckte auf, dass das KRD mehrere Konti in der Schweiz betreibt.
Die Geschichte des Untergangs eines extremen Königreiches mit Überschneidungen in die völkische und rechtsextreme Szene, das auf einem verschwörungmythischen Weltbild voller Antisemitmus fusst, zeigt: Investigativer Journalismus und eine aktive Zivilgesellschaft machen eine starke Demokratie aus.
Ob das Königreich wirklich ganz untergeht? Wir bleiben dran. Dank deiner Unterstützung.
Unsere Quellen:
Republik.ch: Die Schweizer Behörden lassen «König von Deutschland» in Ruhe – Republik Woz.ch: Königreich Deutschland in Basel: Grössenwahn im Jugendstil Saiten.ch: Rechte Parallelstrukturen
Zdf.de: Reichsbürger: Dobrindt verbietet "Königreich Deutschland"
Srf.ch: Reichsbürger: Finma setzt «Königreich Deutschland» auf Warnliste
heisst mit bürgerlichem Namen Anna Bursian. Sie ist Gründerin von FLIMMER.MEDIA. Lotta hat sich auch durch jahrelange investigative Recherchen eine umfassende Expertise zu demokratiefeindlichen Bewegungen und Strukturen aufgebaut. Vor FLIMMER.MEDIA publizierte sie in verschiedenen Medien in der Schweiz und Deutschland.